
Determinanten koordinatenfrei
Von: Martin_Infinite
Datum: Di. 08. September 2015 22:05:14 Thema: Mathematik
| Determinanten koordinatenfreiIn diesem Artikel möchte ich erklären, was die Determinante eines Endomorphismus eines endlich-dimensionalen Vektorraumes ist. Das Besondere ist: Es werden keine Matrizen benutzt. Insofern ist das Vorgehen also koordinatenfrei und meiner Meinung nach sehr elegant. Zugleich ist es recht anschaulich. Am Ende werden ein paar Beispiele berechnet, welche die Nützlichkeit des Zugangs untermauern. Der Artikel richtet sich an Studenten, welche die Determinante besser verstehen möchten, aber auch an Dozenten, die in ihrer Lineare Algebra Vorlesung einen alternativen Zugang wählen möchten.
"Es gibt kaum eine Theorie, die elementarer ist [als die lineare Algebra], trotz der Tatsache, dass Generationen von Professoren und Lehrbuchautoren die Einfachheit dieser Theorie durch höchst unangebrachte Rechnungen mit Matrizen verdunkelt haben."
J. Dieudonné, Grundlagen der modernen Analysis, 1960Inhalt1. Alternierende Abbildungen
2. Definition der Determinante
3. Eigenschaften der Determinante
4. Die Leibniz-Formel
5. Beispiele
Definition. Es sei ein fixierter Körper und ein -Vektorraum. Die unterliegende Menge bezeichnen wir mit . Sei . Eine Abbildung heiße multilinear, wenn sie in jeder der Variablen (mit festgehaltenen Variablen) linear ist. Eine solche multilineare Abbildung heiße alternierend, wenn für alle gilt: Gibt es Indizes mit , dann gilt . Diese Abbildungen bilden mit komponentenweisen Verknüpfungen einen -Vektorraum , nämlich einen Unterraum aller Abbildungen . Die Elemente von nennt man auch -Formen auf . Wir werden der üblichen Konvention folgen und anstelle von schreiben.
Zur Anschauung. Man kann sich -Formen auf geometrisch so vorstellen: Je Vektoren aus wird eine Größe (genauer gesagt ein Element des Grundkörpers) zugeordnet, nämlich die Größe des von den Vektoren aufgespannten Parallelotops (für ist dies ein Parallelogramm; auf eine präzise Definition verzichten wir einstweilen). Die Definition einer -Form lässt sich damit wiefolgt veranschaulichen: Die Rechenregel
bedeutet, dass das Volumen eines entarteten Parallelotops Null ist. Die Regel
bedeutet, dass sich das Volumen ver--facht, wenn man einen der Seitenvektoren ver--facht. Und die Regel
bedeutet, dass sich das Volumen von zwei Parallelotopen addiert, wenn sie an einer Seite zusammenpassen und man sie zusammenlegt. Wir haben hier zwar nicht definiert, was ein Parallelotop und was das Volumen davon sein soll, aber man kann sich eben vorstellen, dass -Formen auf einem Vektorraum diese Begriffe abstrahieren und genau das einfangen, was man von ihnen erwartet. Die folgenden Bilder veranschaulichen die Regeln für .
Bemerkung. Jede lineare Abbildung induziert eine lineare Abbildung , nämlich . Das heißt, es gilt . Es bestehen die Rechenregeln und für .
Daraus folgt: Wenn isomorph sind, dann sind auch isomorph.
Spezialfälle. Es gilt und . Für und ist auch . Wenn eindimensional ist, dann gilt , denn für ist und damit für . Dasselbe Argument zeigt für .
Betrachten wir nun den Fall, dass zweidimensional ist. Dann gilt , denn
Diese Rechnung funktioniert sogar für beliebige multilineare alternierende Abbildungen und zeigt, dass eine Vertauschung von zwei Argumenten stets eine Änderung des Vorzeichens bewirkt. Das lässt sich auch so interpretieren, dass wir auch negative Volumina von Parallelotopen betrachten und dass das Vorzeichen von der Reihenfolge der Seitenvektoren abhängt.
Es folgt für zwei beliebige Vektoren und von :
Ist umgekehrt beliebig, so gibt es ein mit , nämlich
Wir erkennen damit, dass eindimensional ist. Der Erzeuger ist . Für ist einfach , denn beim Ausmultiplizieren von für kommt jeweils oder doppelt vor.
Ein beliebiger Vektorraum ist eine direkte Summe von eindimensionalen Räumen. Schauen wir uns also an, was mit passiert, wenn man zu einen eindimensionalen Vektorraum addiert.
Satz 1 (Zerlegung von Formen). Es sei ein -Vektorraum und ein eindimensionaler -Vektorraum. Ferner sei . Dann gibt es einen Isomorphismus
Beweis. Es sei . Dann berechnen wir für und unter Benutzung der Multilinearität und von :
Weil nun aber alternierend ist, gilt
Denn hierbei müssen Vertauschungen durchgeführt werden. Daraus folgt nun:
Dies legt uns nun nahe, die Abbildung zu definieren durch , wobei die Einschränkung von auf ist, und . Beachte, dass tatsächlich und gilt. Ferner ist linear. Wir wissen auch, wie wir unsere Umkehrabbildung definieren müssen: Wir setzen , wobei
Man erkennt . Wir haben uns oben klargemacht, und ist auch klar.
Satz 2 (Anzahl der Formen). Es sei ein -dimensionaler -Vektorraum und . Dann ist ein -Vektorraum der Dimension .
Hierbei ist der Binomialkoeffizient " über ", also die Anzahl der -elementigen Teilmengen einer -elementigen Menge.
Beweis. Wir benutzen Induktion nach und nach . Für oder kennen wir das Ergebnis bereits. Nun seien . Wähle irgendeinen Vektor und schreibe mit . Dann folgt aus Satz 1 . Nach Induktionsannahme ist daher
Wenn also zum Beispiel ein -dimensionaler Vektorraum ist, dann sind die Dimensionen von gleich , und es gilt für .
Bemerkung. Für die Leser, die bereits mit äußeren Potenzen vertraut sind: Es gibt einen natürlichen Isomorphismus . Man kann entsprechend Determinanten auch mit äußeren Potenzen koordinatenfrei definieren. Unser Zugang ist etwas direkter. Satz 3. Es sei ein -dimensionaler -Vektorraum und ein Endomorphismus. Dann gibt es genau ein Element derart, dass für alle gilt.
Beweis. Nach Satz 2 ist eindimensional. Dann ist also ein Endomorphismus eines eindimensionalen Vektorraumes und somit gleich der Multiplikation mit einem eindeutigen Element aus .
Definition. Das eindeutig bestimmte Element nennen wir die Determinante von . Es ist dadurch bestimmt, dass für jedes und jedes Tupel die Gleichung
besteht. Man muss dies lediglich für eine Basis von testen.
Zur Anschauung. Anschaulich gibt die Determinante von an, womit das Volumen eines -dimensionalen Parallelotops in skaliert wird, wenn man darauf anwendet. Kurzum ist die Determinante also ein Skalierungsmaß.
Was passiert, wenn man nicht nur Parallelotope, sondern im Falle von auch andere messbare Teilmengen betrachtet, und nicht notwendigerweise linear ist? Dann beantwortet der Transformationssatz aus der Analysis die Frage, womit das Volumen skaliert wird. Die dort auftretende Jakobideterminante ist im Rahmen der geometrischen Definition der Determinante nicht weiter verwunderlich.
Spezialfälle. Wenn eindimensional ist, dann können wir schreiben und es gilt . Nun sei zweidimensional und ein Endomorphismus. Wir können also und schreiben. Für folgt
Dies zeigt . Zum Beispiel ist die Determinante der Spiegelung , gleich . Lemma 1 (Multiplikativität der Determinante). Es gilt und für Endomorphismen .
Beweis. Die Gleichung folgt aus . Das Produkt erfüllt die Definition von , denn für alle gilt
Bemerkung. Der Nullvektorraum hat genau einen Endomorphismus, nämlich die Identität. Nach Lemma 1 ist die Determinante hiervon .
Lemma 2 (Natürlichkeit der Determinante). Es seien ein Isomorphismus von endlich-dimensionalen Vektorräumen und , Endomorphismen mit , wie in dem folgenden kommutativen Diagramm:
Dann gilt .
Beweis. Wegen der Bemerkung im ersten Abschnitt gilt als lineare Abbildungen , wobei . Weil also die Multiplikation mit ist und ein Isomorphismus ist, ist auch Multiplikation mit , d.h. .
Satz 4 (Determinanten von Quotienten). Es sei ein Endomorphismus von und ein Unterraum von mit ; man sagt, dass unter invariant ist. Wir erhalten Endomorphismen und . Es gilt dann .
Beweis. Wähle ein Komplement von . Dann können wir schreiben und identifiziert sich mit mit einer linearen Abbildung und der linearen Abbildung . Es sei eine Basis von und eine Basis von . Dann ist also eine Basis von . Es folgt für :
Weil nun multilinear und alternierend in den Variablen ist, erhalten wir:
Schreibe und subtrahiere von . Dies ändert den Wert von nicht, weil multilinear und alternierend ist. Auf diese Weise erhalten wir im -ten Eintrag einfach . Man fährt so fort und gelangt zu
Mit demselben Argument wie oben vereinfacht sich dies zu
Bemerkung. Man kann Satz 4 auch sehr elegant wiefolgt formulieren: Hat man eine exakte Sequenz von endlich-dimensionalen Vektorräumen und hat man ein kommutatives Diagramm
gegeben, so gilt .
Satz 5 (Determinanten von Summen). Es seien und zwei Endomorphismen. Für den Endomorphismus , gilt dann .
Beweis. Das folgt aus Satz 4.
Spezialfall. Sei diagonalisierbar, d.h. es gibt eine Basis von und Elemente mit . Dann zerlegt sich in eine direkte Summe der Endomorphismen , . Die Determinante ist nach Satz 5 daher das Produkt .
Bemerkung. Ist allgemeiner eine Linearkombination aus , so folgt aus Satz 4 ebenfalls . Dazu macht man eine Induktion nach und nimmt für den Induktionsschritt . Wenn sich eine solche Basis finden lässt, nennt man trigonalisierbar. Wenn algebraisch abgeschlossen ist, ist stets trigonalisierbar, sodass sich die Determinante berechnen lässt. Wenn beliebig ist, so kann man zur sogenannten Skalarerweiterung über einem algebraischen Abschluss übergehen und die Determinante des Endomorphismus von ausrechnen. Dies ist das Bild von unter der Inklusion . Damit lässt sich also allgemein berechnen.
Satz 6 (Determinante von Projektionen). Es sei eine Projektion auf einen Unterraum von , d.h. und . Dann gilt falls , und falls .
Beweis. Für ist und damit . Nun sei . Es sei . Dann ist , insbesondere . Es gilt . Aus Satz 5 folgt daher . (Alternativ kann man benutzen, dass Projektionen diagonaliserbar sind.)
Satz 7 (Kriterium für Invertierbarkeit). Es sei ein Endomorphismus eines endlich-dimensionalen Vektorraumes . Genau dann ist ein Isomorphismus, wenn gilt.
Beweis. Wenn ein Isomorphismus ist, dann gilt nach Lemma 1 und damit . Nun sei kein Isomorphismus. Dann ist ein echter Unterraum von (ansonsten wäre surjektiv und damit auch bijektiv). Wähle eine Projektion auf . Dann gilt . Aus Satz 6 folgt . Mit Lemma 1 folgt daher .
Bemerkung. Man kann die nichttriviale Richtung in Satz 7 auch etwas direkter so beweisen: Sei kein Isomorphismus. Dann ist nicht injektiv, d.h. es gibt ein mit und . Ergänze zu einer Basis von . Für gilt dann . Dies zeigt .
Bemerkung. Eine wichtige Folgerung aus Satz 7 ist, dass eine lineare Gleichung der Form (wobei und ) stets eindeutig lösbar ist, wenn gilt. Dann gilt nämlich . Definition. Es sei eine endliche Menge. Es sei eine bijektive Abbildung, auch Permutation genannt. Es sei ein -Vektorraum mit Basis . Dann induziert einen Endomorphismus mit . Wir definieren das Signum von durch . Wir werden gleich sehen.
Bemerkung. Es gilt und ; dies folgt aus und und den entsprechenden Aussagen für Determinanten. Die Permutationen bilden bez. der Komposition eine Gruppe , bekannt als symmetrische Gruppe auf . Es ist bekannt, dass von den Transpositionen erzeugt wird, die also zwei Elemente von miteinander vertauschen und alle anderen Elemente festlassen. Nach Satz 5 und dem Beispiel aus Abschnitt 2 haben Transpositionen Signum . Wenn eine Permutation also ein Produkt aus Transpositionen ist, dann ist das Signum . Wir erkennen also, dass das Signum stets ist. Es handelt sich um einen Homomorphismus von Gruppen
Satz 8 (Leibniz-Formel). Es sei ein endlich-dimensionaler -Vektorraum mit Basis . Es sei ein Endomorphismus. Schreibe
mit . Dann gilt die Leibniz-Formel:
Beweis. Wir können annehmen, wobei . Es sei . Dann gilt aufgrund der Multilinearität:
Wir können hierbei annehmen, dass die paarweise verschieden sind, weil ansonsten gilt. Dann ist aber eine Permutation von . Es gilt dann weiter
sodass also
Spezialfall. Für ergibt sich aus der Leibniz-Formel die aus Abschnitt 2 bekannte Formel. Für ergibt sich aus der Leibniz-Formel die Regel von Sarrus: Es gilt (mit obigen Bezeichnungen)
Bemerkung. Mit der Leibniz-Formel kann man theoretisch die Determinante eines beliebigen Endomorphismus, nachdem man ihn in einer Basis dargestellt hat, mehr oder weniger konkret ausrechnen. Aber für große ist die Leibniz-Formel, abgesehen von theoretischen Überlegungen, nicht wirklich nützlich. Das liegt vor allem daran, dass es Permutationen einer -elementigen Menge gibt und die Fakultät sehr stark mit wächst. Praktischer ist Satz 4, für dessen Anwendung man lediglich einen unter dem Endomorphismus invarianten nichttrivialen echten Unterraum finden muss. Noch effizienter ist die sogenannte LR-Zerlegung. In diesem Abschnitt berechnen wir einige Beispiele von Determinanten. Wir werden dabei die hergeleiteten Eigenschaften der Determinante benutzen.
Beispiel A. Es sei der Vektorraum der Polynome vom Grad |
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