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Benötigt eine Kraft Energiezufuhr? |
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
Wohnort: Hamburg
 | Themenstart: 2022-09-26
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Hallo,
per Zufall bin ich irgendwie bei folgendem Gedanken hängen geblieben.
Wirken Kräfte in der Natur einfach so ohne Energiezufuhr bzw. worin liegt der Ursprung einer beliebigen Kraft?
Beispiele könnten viele sein z.B. der eines Hufeisenmagneten, der oberhalb eines Stück Eisens sein soll:
Um sein äußeres Magnetfeld zu reduzieren, zieht er entgegen der Gravitationskraft das Stück Eisen an und damit nach oben. Er verrichtet Arbeit ($W=F\cdot s$) und reduziert um diesen Anteil seine magn. Energie (Minimierungsprinzip), die in Arbeit umgewandelt wurde. Nach diesem Prozess wird m. E. aber keine physikalische Arbeit W mehr verrichtet (Weg s = 0), aber eine konstante Anziehungskraft $F_A$ entgegen der Gravitationskraft $F_G$ ausgeübt.
Diese Anziehungskraft müsste jetzt ja ewig wirken ohne das Energie verbraucht wird?
Wie kann ich mir das vorstellen bzw. wieso könnte eine Kraft demnach ewig wirken?
Eine ähnliche Vorstellung wäre z.B. die Gewichtskraft eines Steins, die ja auch ewig wirken würde und demnach bei Nichtbewegen auch keine Arbeit oder Energie verbrauchen würde, oder?
Die allgemeinem Definitionen der Kraft beantworten meine Frage irgendwie nicht zufriedenstellend - könnt Ihr mir helfen?
Gruß
Nudel
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zippy
Senior  Dabei seit: 24.10.2018 Mitteilungen: 5000
 | Beitrag No.1, eingetragen 2022-09-26
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Auch der Stuhl, auf dem ich gerade sitze, benötigt keine Energiezufuhr, übt aber genug Kraft auf mich aus, um mich nicht auf den Boden fallen zu lassen.
--zippy
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Wario
Aktiv  Dabei seit: 01.05.2020 Mitteilungen: 1324
 | Beitrag No.2, eingetragen 2022-09-26
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\quoteon(2022-09-26 14:53 - Nudel im Themenstart)
Wirken Kräfte in der Natur einfach so ohne Energiezufuhr bzw. worin liegt der Ursprung einer beliebigen Kraft?
\quoteoff
Angenommen, das wäre so, würde ich aber sofort fragen: "Worin liegt der Ursprung einer beliebigen Energie?"
Ansonsten gibt es m.W. gar keine Energie, da das lediglich eine Hilfsgröße aus der mathematischen Physik ist (in die typischerweise sehr viel reininterpretiert wird, nachdem sie zum Selbstläufer wurde). Nach der experimentellen Entdeckung von Robert v. Mayer sprach man nach der mathematischen Urbehandlung von Hermann v. Helmholtz auch noch von der "Konstanz der Kraft" (sofern ich das gerade richtig zusammenbringe); bietet sich eben an, dafür noch einen eigenen Begriff, Größe etc. zu haben.
Woher jetzt die Kraft oder etwa die Gravitationskraft kommt, kann man glaube ich gar nicht weiter zerlegen, sondern lediglich als Eigenschaft der Materie in ihren Wirkungen erkennen (messen).
Will man das doch machen, muss man m.W. auf den geometrischen Aufbau des Universums raus.
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juergenX
Aktiv  Dabei seit: 08.07.2019 Mitteilungen: 914
 | Beitrag No.3, eingetragen 2022-09-26
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\quoteon(2022-09-26 15:01 - zippy in Beitrag No. 1)
Auch der Stuhl, auf dem ich gerade sitze, benötigt keine Energiezufuhr, übt aber genug Kraft auf mich aus, um mich nicht auf den Boden fallen zu lassen.
--zippy
\quoteoff
Eher andersrum Kraft (deine Masse mal Erdbeschleunigung) erzeugt Gegenkraft. Deine Gewichtskraft erzeugt eine Gegenkraft, solange du auf dem Stuhl sitzt, die sich durch ein sog Po verflachung ausweist.😄
Der Stuhl selber übt keine Kraft auf dich aus.
Du hast eine gewisse potentielle Energie, die sich in kinetische verwandelt wenn du runterfällst.
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
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 | Beitrag No.4, eingetragen 2022-09-26
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Hallo JürgenX,
das stimmt nicht. Der Stuhl übt eine Kraft auf Dich aus, genauso wie Du auf ihn. Die Kräfte sind nicht unterscheidbar, denn Du übst ja schließlich auch eine Anziehungskraft auf die Erde aus, und zwar in der gleichen Höhe wie andersherum. Ursache und Wirkung kann man hier nicht trennen. Die Erde ist davon nur weniger beeindruckt als Du, wenn man den Stuhl wegzieht.
Die Energie ist auch nicht irgendeine Hilfsgröße, sondern in den Noether-Theoremen eine Folgerung aus der Homogenität der Zeit, das Kräftegleichgewicht dagegen eine Folgerung aus dem Impulserhaltungssatz, der wiederum eine Folgerung aus der Homogenität des Raumes ist. Meines Wissens sind nach heutigem Kenntnisstand die Energie- und Impulserhaltung daher keineswegs sicher - auf sehr, sehr, sehr großen, astronomischen Skalen auf einer Dezimalstelle sehr weit rechts vom Komma. Siehe die Erklärungsversuche zur Dunklen Energie.
In der ART ist die Gravitation nichts weiter als die Krümmung des Raumes um schwere Objekte herum, aber die Energie z.B. in einer gespannten Feder oder auch einfach chemische Bindungsenergie ist logischerweise nicht als Raumkrümmung zu erklären.
Also wie zippy schon sagte, für eine Kraft braucht es keine Energie.
Ciao,
Thomas
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
Wohnort: Hamburg
 | Beitrag No.5, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-26
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Unter der Energie kann ich mir (vllt. zu einfach) zumindest noch mehr vorstellen. Beispielweise besteht eine magnetische (pot.) Energie dauerhaft durch die Elementarmagnete und deren Elektronenspin auf atomarer Ebene. Wird durch diese Energie eine Arbeit verrichtet (Anziehung eines anderen Magneten / Eisens), so wird die magnetische Energie dem Magneten (bzw. seinen Elementarmagneten auf atomarer Ebene?) "weggenommen" und beim Wegziehen des Stück Eisens wieder zugeführt - eine Art Kreislauf besteht.
Aber eine Kraft, die sich ausgehend von diesem Magneten bis in alle Ewigkeiten hält ist für mich gerade irgendwie schwer vorstellbar bzw. auch nicht nachvollziehbar warum die Natur quasi lieber Energie abbaut, aber dafür eine ewige Kraft ausüben will...
Gedanklich habe ich auch mir auch folgendes Szenario überlegt. Ein großer Magnet könnte durch seine Anziehungskraft $F_A$ die Gewichtskraft $F_G$ eine Eisenplatte von 50 kg kompensieren und diese damit anziehen. Diese Anziehungskraft würde nach dem Gedankenmodell bis in alle Ewigkeit (meinetwegen auch nur 10 Jahre) wirken.
Würde ich als Mensch diese Eisenplatte hochheben und über meinen Kopf halten, müsste ich ebenfalls die Gewichtskraft $F_G$ durch meine "Muskelkraft" $F_M$ kompensieren. Als Mensch könnte ich diese Eisenplatte aber nur halten, wenn ich konstant Energie in Form von Nahrung / Schlaf zuführe, um daraus quasi chemische Energie zu generieren, die dann in Muskelkraft umgewandelt wird. Das heißt, ich müsste hier Energie zuführen, um eine Kraft bereitzustellen, die der Gewichtskraft entgegenwirkt. Aber selbst eine ausreichende Energiezufuhr würde ja nicht funktionieren, da ich die Eisenplatte niemals 10 Jahre halten könnte ... wohl eher Minuten, maximal Stunden.
Daher fällt mir der Ursprungsgedanke einer Kraft schwer, aber vielleicht ist das auch ein Thema, welches nicht greifbar bzw. erklärbar ist und man daher Kräfte als gegeben hinnehmen muss 🤔
[Die Antwort wurde vor Beitrag No.4 begonnen.]
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
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 | Beitrag No.6, eingetragen 2022-09-26
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Hallo Nudel,
\quoteon(2022-09-26 18:30 - Nudel in Beitrag No. 5)
Daher fällt mir der Ursprungsgedanke einer Kraft schwer, aber vielleicht ist das auch ein Thema, welches nicht greifbar bzw. erklärbar ist (...)
\quoteoff
Doch, siehe meinen letzten Beitrag.
Ein Organismus ist kein Mechanismus. Auch wenn es Dir statisch vorkommt, wenn Du eine Eisenplatte nach oben stemmst, so laufen doch in Deinen Muskeln permanent biochemische Prozesse ab. Sie sind ja schließlich durchblutet, es entstehen Stoffwechselprodukte, die abtransportiert werden müssen und so weiter. Das ist alles andere als statisch.
Denk zum Beispiel an einen Elektromagneten auf einem Schrottplatz, der ein Auto anhebt. Wäre der Elektromagnet ein Supraleiter und das angehobene Objekt auch, würde er keine Energie verbrauchen, das Supraleiter-Auto bliebe da hängen. Da aber sowohl die Wirbelströme im Auto als auch der Erregerstrom im Elektromagneten gegen ohmsche Widerstände ankämpfen müssen, muss zur Aufrechterhaltung der Kraft permanent Energie aufgewendet werden, die aber mit der Erzeugung der Kraft erst einmal nur mittelbar zu tun hat. Entfernt so ähnlich ist es in Deinem Muskel auch (nicht, dass er magnetisch funktioniert, es ist nur als Analogie gemeint).
Ciao,
Thomas
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
Wohnort: Hamburg
 | Beitrag No.7, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-26
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Erstmal vielen Dank für die Antworten!
Tatsächlich fällt es mir mitunter noch schwer bei Allem in der Tiefe zu folgen, da ich kein Physiker bin.
\quoteon(2022-09-26 18:12 - MontyPythagoras in Beitrag No. 4)
Hallo JürgenX,
das stimmt nicht. Der Stuhl übt eine Kraft auf Dich aus, genauso wie Du auf ihn. Die Kräfte sind nicht unterscheidbar, denn Du übst ja schließlich auch eine Anziehungskraft auf die Erde aus, und zwar in der gleichen Höhe wie andersherum. Ursache und Wirkung kann man hier nicht trennen. Die Erde ist davon nur weniger beeindruckt als Du, wenn man den Stuhl wegzieht.
Die Energie ist auch nicht irgendeine Hilfsgröße, sondern in den Noether-Theoremen eine Folgerung aus der Homogenität der Zeit, das Kräftegleichgewicht dagegen eine Folgerung aus dem Impulserhaltungssatz, der wiederum eine Folgerung aus der Homogenität des Raumes ist.\quoteoff
Nach einer kleinen Lesestunde (Noether-Theoremen, Homogenität der Zeit, etc.) kann ich dem Teil grundsätzlich folgen. Dies wäre m. E. auch mein bisheriges Verständnis der Physik gewesen was Energien und den Energieerhaltungssatz angeht.
\quoteon(2022-09-26 18:12 - MontyPythagoras in Beitrag No. 4)
Meines Wissens sind nach heutigem Kenntnisstand die Energie- und Impulserhaltung daher keineswegs sicher - auf sehr, sehr, sehr großen, astronomischen Skalen auf einer Dezimalstelle sehr weit rechts vom Komma. Siehe die Erklärungsversuche zur Dunklen Energie.
In der ART ist die Gravitation nichts weiter als die Krümmung des Raumes um schwere Objekte herum, aber die Energie z.B. in einer gespannten Feder oder auch einfach chemische Bindungsenergie ist logischerweise nicht als Raumkrümmung zu erklären.
Also wie zippy schon sagte, für eine Kraft braucht es keine Energie.
\quoteoff
Bei diesem Teil bin ich leider ausgestiegen. Heißt das hier, dass quasi die Gesetze der Energie- und Impulserhaltung (aus dem o.g. ersten Abschnitt) doch nicht so existieren wie man (bzw. ich) es bisher angenommen habe? Den Link mit der dunklen Energie (war mir bisher nicht bekannt) suggieriert mir, dass es quasi eine unbekannte Energie gibt, die allgegenwärtig ist, aber bisher weder erfasst noch begriffen wurde. Ist demnach diese dunkle Energie der Grund, dass unsere bekannten Kräfte (Gewichtskraft, Anziehungskraft, etc.) wirken wie sie wirken bzw. das diese Kräfte auch anderweitig beschrieben werden können? Das Phänomen der Graviation hätte in der Hinsicht seine Ursache nicht in der uns bekannten Graviationskraft, sondern die Gravitation entspricht demnach einer Krümmung Raumzeit?
\quoteon(2022-09-26 21:00 - MontyPythagoras in Beitrag No. 6)
Denk zum Beispiel an einen Elektromagneten auf einem Schrottplatz, der ein Auto anhebt. Wäre der Elektromagnet ein Supraleiter und das angehobene Objekt auch, würde er keine Energie verbrauchen, das Supraleiter-Auto bliebe da hängen. Da aber sowohl die Wirbelströme im Auto als auch der Erregerstrom im Elektromagneten gegen ohmsche Widerstände ankämpfen müssen, muss zur Aufrechterhaltung der Kraft permanent Energie aufgewendet werden, die aber mit der Erzeugung der Kraft erst einmal nur mittelbar zu tun hat. Entfernt so ähnlich ist es in Deinem Muskel auch (nicht, dass er magnetisch funktioniert, es ist nur als Analogie gemeint).\quoteoff
Die diamagnetische Eigenschaft eines Supraleiters soll bei dem Beispiel sicherlich außer Acht gelassen werden, sodass Du hier nur darauf hindeuten willst, dass keine ohmschen Widerstände und damit Verluste wirken, oder?
Dem Argument könnte ich folgen. Das heißt wenn ich den Elektromagneten durch meinen großen Hufeisenmagnet ersetze und damit die gleiche Anziehungskraft $F_A$ aufbringen könnte, so wäre quasi ein gleichwertiges System geschaffen - weder der Supraleiter noch der große Elektromagnet würde eine Energiezufuhr (im klassischen Sinne) benötigen, um die benötige Kraft aufzubringen?
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
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 | Beitrag No.8, eingetragen 2022-09-27
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Hallo Nudel,
\quoteon(2022-09-26 22:35 - Nudel in Beitrag No. 7)
Ist demnach diese dunkle Energie der Grund, dass unsere bekannten Kräfte (Gewichtskraft, Anziehungskraft, etc.) wirken wie sie wirken bzw. das diese Kräfte auch anderweitig beschrieben werden können? Das Phänomen der Graviation hätte in der Hinsicht seine Ursache nicht in der uns bekannten Graviationskraft, sondern die Gravitation entspricht demnach einer Krümmung Raumzeit?
\quoteoff
Nein, die Dunkle Energie ist nicht der Grund für bestimmte "Alltagskräfte". Sie ist ein Postulat aus dem Phänomen, dass die Ausdehnung des Weltalls sich beschleunigt, obwohl sie nach der klassischen Physik eigentlich abnehmen müsste. Eine derzeit noch unbekannte Energie wird dafür verantwortlich gemacht.
Sorry, das war vielleicht eher verwirrend. In unserer Alltagserfahrung spielt sie keine Rolle und Du kannst davon ausgehen, dass hier die klassischen Naturgesetze der Energie- und Impulserhaltung bestens erfüllt sind.
Bei der Gravitation ist es auch nicht so ganz einfach. Vielleicht hast Du schon gehört, dass Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenphysik nicht gut miteinander vereinbar sind. Das wird gelegentlich popularwissenschaftlich thematisiert. Man KANN die Gravitation in der Relativitätstheorie als Krümmung des Raumes deuten - was nichts weiter bedeutet, als dass die in der ART hergeleiteten Gleichungen diese Deutung erlauben. Lichtstrahlen werden um schwere Objekte gekrümmt, nehmen aber immer den kürzesten Weg von A nach B. Also muss man es so deuten, dass der Raum um ein schweres Objekt gekrümmt ist.
Auf Quantenlevel ist die Erklärung dagegen nicht so wirklich zufriedenstellend. Kräfte werden dort über Austauschteilchen erklärt (z.B. das Gluon für die Starke Wechselwirkung). Daher wird manchmal das Graviton postuliert, aber damit ist schwer zu erklären, wie es den Raum krümmt.
Ich denke aber, das führt zu weit weg von Deiner eigentlichen Frage.
Wenn Du eine physikalische Arbeit verrichten willst, dann ist Arbeit das Integral des Kraftvektors entlang des Weges. Einfach formuliert: ohne Weg keine Arbeit. Das bedeutet ja nicht, dass nicht eventuell anderswo verlustbehaftet Energie aufgewendet werden muss, um diese Kraft zu erzeugen. Ein Muskel, der mit Hilfe des eingeatmeten Sauerstoffs Nährstoffe verbraucht, um eine Kraft aufrechtzuerhalten, hat in dem Moment halt einen Wirkungsgrad von null. Dadurch werden ja keine Grundprinzipien der Physik verletzt, der Energieverbrauch passiert im Muskel und nicht beim Halten der Eisenplatte auf konstanter Höhe. Auch ein stromverbrauchender Elektromagnet, der ein Gewicht auf konstanter Höhe hält, verrichtet keine Arbeit, erzeugt aber Wärme in den Wicklungen und im angezogenen Gewicht. Betrachtet man die (nicht vorhandene) physikalische Arbeit hier als Nutzenergie, ist auch sein Wirkungsgrad in dem Moment null.
Ciao,
Thomas
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
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 | Beitrag No.9, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-27
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\quoteon(2022-09-27 09:34 - MontyPythagoras in Beitrag No. 8)
Wenn Du eine physikalische Arbeit verrichten willst, dann ist Arbeit das Integral des Kraftvektors entlang des Weges. Einfach formuliert: ohne Weg keine Arbeit. Das bedeutet ja nicht, dass nicht eventuell anderswo verlustbehaftet Energie aufgewendet werden muss, um diese Kraft zu erzeugen. Ein Muskel, der mit Hilfe des eingeatmeten Sauerstoffs Nährstoffe verbraucht, um eine Kraft aufrechtzuerhalten, hat in dem Moment halt einen Wirkungsgrad von null. Dadurch werden ja keine Grundprinzipien der Physik verletzt, der Energieverbrauch passiert im Muskel und nicht beim Halten der Eisenplatte auf konstanter Höhe. Auch ein stromverbrauchender Elektromagnet, der ein Gewicht auf konstanter Höhe hält, verrichtet keine Arbeit, erzeugt aber Wärme in den Wicklungen und im angezogenen Gewicht. Betrachtet man die (nicht vorhandene) physikalische Arbeit hier als Nutzenergie, ist auch sein Wirkungsgrad in dem Moment null.
\quoteoff
Ich gehe hier bei allem mit vollstem Verständnis mit, d.h.
Muskelkraft (Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr) $\checkmark $
Elektromagneten (Stromzufuhr) $\checkmark$
Nur bei meinem großen Hufeisenmagnet fällt es mir nach wie vor schwer es zu verstehen, wie er einfach für 1, 10 oder 1000 Jahre mit seiner Anziehungskraft $F_A$ die schwere Eisenplatte entgegen der Gewichtskraft $F_G$ halten könnte OHNE das ihm irgendwas "zugeführt" wird. Er kann in dem Sinne ja auch keinen Wirkungsgrad haben, warm wird er doch auch nicht. Dies widerspricht einfach nach meinem Verständnis den o.g. Beispielen, da z.B. die fehlende Stromzufuhr des Elektromagneten mindestens zu einer geringeren Anziehungskraft führen müsste.
Vielleicht muss ich das wirklich hinnehmen, das Kräfte einfach existieren oder nicht existieren ...
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Wario
Aktiv  Dabei seit: 01.05.2020 Mitteilungen: 1324
 | Beitrag No.10, eingetragen 2022-09-27
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\quoteon(2022-09-26 18:12 - MontyPythagoras in Beitrag No. 4)
Die Energie ist auch nicht irgendeine Hilfsgröße, sondern in den Noether-Theoremen eine Folgerung aus der Homogenität der Zeit, das Kräftegleichgewicht dagegen eine Folgerung aus dem Impulserhaltungssatz, der wiederum eine Folgerung aus der Homogenität des Raumes ist
\quoteoff
Das ist interessant. Mir ging es jetzt darum, dass Energie nichts Dinghaftes oder -wie soll man sagen?- keine direkt messbare Größe ist, sondern eine Rechengröße ist; ob man das jetzt "Hilfsgröße" nennt, ist eigentlich unwichtig.
Und die Homogenität der Zeit muss man dann vermutlich postulieren, woraus dann -vermutlich mathematisch (ich kenne nicht die gesamte Herleitung des Noether-Theorems)- eine Erhaltungsgröße folgt, welche man Energie nennt.
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
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 | Beitrag No.11, eingetragen 2022-09-27
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Hallo Nudel,
\quoteon(2022-09-27 18:31 - Nudel in Beitrag No. 9)
Nur bei meinem großen Hufeisenmagnet fällt es mir nach wie vor schwer es zu verstehen, wie er einfach für 1, 10 oder 1000 Jahre mit seiner Anziehungskraft $F_A$ die schwere Eisenplatte entgegen der Gewichtskraft $F_G$ halten könnte OHNE das ihm irgendwas "zugeführt" wird. Er kann in dem Sinne ja auch keinen Wirkungsgrad haben, warm wird er doch auch nicht. Dies widerspricht einfach nach meinem Verständnis den o.g. Beispielen, da z.B. die fehlende Stromzufuhr des Elektromagneten mindestens zu einer geringeren Anziehungskraft führen müsste.
Vielleicht muss ich das wirklich hinnehmen, das Kräfte einfach existieren oder nicht existieren ...
\quoteoff
Bei der Schwerkraft kannst Du es doch auch hinnehmen, dass sie einfach existiert, oder nicht? Ein magnetisches Moment kann auf zwei Arten zustande kommen: durch einen elektrischen Strom, oder durch geladene Teilchen mit einem Eigendrehimpuls, siehe hier.
Ciao,
Thomas
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juergenX
Aktiv  Dabei seit: 08.07.2019 Mitteilungen: 914
 | Beitrag No.12, eingetragen 2022-09-27
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Mir fällt noch dfas lustige Gedankenexperiment ein:
1 Mrd Chinese springen gleichzeitig von einem 50 cm hohen Stuhl! Erdbeben?
Temporäre Änederung der Erddrehung?😎
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
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 | Beitrag No.13, eingetragen 2022-09-28
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Hallo Jürgen,
willkommen bei Onkel Thomas' sinnloser Rechenstunde.
Da sowohl die Chinesen als auch ihre Stühle irdischen Ursprungs sind und sowohl Impuls als auch Drehimpuls der Erde außer durch Kräfte extraterrestrischen Ursprungs unveränderlich sind, ändert das am Drehimpuls der Erde überhaupt nichts. Sie sind ja schließlich vorher auf den Stuhl geklettert, also ist anschließend alles wie vorher.
Wenn man die Chinesen am Äquator versammeln könnte, würde sich das Gesamtträgheitsmoment von Erde inklusive Chinesen erhöhen, wenn sie alle auf einen (eigenen) Stuhl steigen, und da der Drehimpuls erhalten bleibt, würde sich die Erdrotation verlangsamen, aber nach dem Sprung vom Stuhl wieder auf den alten Wert erhöhen.
Nehmen wir ein durchschnittliches Gewicht von 65kg pro Chinese, dann erhöht das Auf-einen-Stuhl-Steigen am Äquator das Trägheitsmoment der Erde um $10^9\times 65\text{kg}\times2\times 6371000\text{m}\times0\mathord,5\text{m}=4\mathord,14\times10^{17}\text{kgm}^2$. Das Trägheitsmoment der Erde beträgt nach dem PREM500-Referenzmodell ca. $8\mathord,02\times10^{37}\text{kgm}^2$. Dadurch erhöht sich das Trägheitsmoment in der 20sten Stelle nach dem Komma. Würden die Chinesen am Äquator einen ganzen Tag auf dem Stuhl stehen bleiben, würde die Erdrotation an diesem Tag 0,0000004 Nanosekunden länger brauchen.
Bei Erdbeben wird meist die Richterskala herangezogen, die allerdings einigen Einschränkungen unterliegt. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Skalen, die mit der Richterskala in deren Gültigkeitsbereich ganz gut übereinstimmen, zum Beispiel die Oberflächenwellen-Magnitudenskala. Es gibt dafür eine ungefähre Umrechnung in freigesetzte Energie:
$$\lg E\approx 1\mathord,5\times M+4\mathord,8$$Dabei ist E die Energie in Joule und M die Magnitude des Bebens. Steigen eine Milliarde Chinesen von durchschnittlich 65kg auf einen halbmeterhohen Stuhl, haben sie eine potentielle Energie von $10^9\times65\text{kg}\times9\mathord,81\text{m/s}^2\times0\mathord,5\text{m}=3,19\times10^{11}\text{J}$. Das ergäbe mit obiger Formel ein Erdbeben der Stärke 4,5. Das ist nicht so doll. Pro zwei Magnituden steigt die freigesetzte Energie um etwa den Faktor 1000. Die stärksten bis heute aufgezeichneten Beben setzen also das Millionenfache an Energie frei, als wenn eine Milliarde Chinesen vom Stuhl springen, und das müssten sie ja auch noch einigermaßen konzentriert tun. Eine Milliarde Chinesen mit Stuhl neben sich beanspruchen dichtgedrängt allerdings eine Fläche von rund 400km².
Ciao,
Thomas
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
Wohnort: Hamburg
 | Beitrag No.14, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-28
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\quoteon(2022-09-27 21:59 - MontyPythagoras in Beitrag No. 11)
Bei der Schwerkraft kannst Du es doch auch hinnehmen, dass sie einfach existiert, oder nicht? Ein magnetisches Moment kann auf zwei Arten zustande kommen: durch einen elektrischen Strom, oder durch geladene Teilchen mit einem Eigendrehimpuls, siehe hier.
\quoteoff
Danke nochmal für die Erklärungsversuche.
Ich muss auch einfach sagen, dass ich mich als Ingenieur und damit als einfacher "Anwender" in der klassischen Physik deutlich wohler fühle. Andere Formen (ART, Quantentheorie, etc.) wurden nicht gelehrt, sodass mir solche Anschauungsversuche und Erklärungen trotz eines etwaigen Selbststudiums immer schwerer fallen werden. Dies führt natürlich dann zu Schwierigkeiten, wenn ich entsprechende Grenzen überschreite und mich frage, warum etwas wirkt oder so ist, wie es ist.
Daher habe ich nochmal versucht das ganze Thema unter dem Deckmantel der klassischen Physik zusammenzufassen. Einzige Ausnahme wäre jetzt für mich der Elektronenspin, der als solches für mich nun eine Folge der Quantentheorie wäre und den ich als gegeben und damit als Art dauerhafte "Energiequelle" des Hufeisenmagneten hinnehme würde. Daher einmal meine Gedanken dazu:
Es gibt in einem Material die kleinsten magnetischen Dipole (Elementarmagnete), die jeweils einen bestimmten, aus quantenmechanischer Sicht, vorhandenen Elektronenspin aufweisen. Das von diesen Elektronenspins ausgehende magnetische Moment hat eine nach außen hin wirksame magnetische Kraft bzw. Energie zur Folge, wobei letzteres auch als Form der potentiellen Energie aufgefasst werden kann. Diese potentielle Energie besteht einfach, dauerhaft und damit zeitunabhängig ohne das am System etwas geändert (z.B. etwas abgeführt oder zugeführt) werden muss.
Wird nun ein Stück Eisen in die Nähe des Magneten gebracht, so kann Arbeit verrichtet werden, da damit die Gesamtenergie des Systems verringert wird (Ziel eines jeden Systems). Der Magnet zieht somit das Stück Eisen an, indem ein Teil der magnetischen bzw. potentiellen Energie in Arbeit umgewandelt wird. Nach Verrichten der Arbeit ist zwar die magnetische Energie des Systems reduziert worden, allerdings wirkt nun ausgehend von den Elementarmagneten eine Kraftwirkung. Diese ist im Verhältnis zur Reduzierung der magnetischen Energie größer geworden, sodass quasi auch eine Art "Umwandlung Energie <-> Kraft" stattgefunden hat. Die Ursache der neuen Kraft liegt somit weiterhin in den Elementarmagneten, die durch ihr konstantes und zeitunabhängiges magnetisches Moment nun statt eine Energie zu besitzen eine größere Kraft ausüben, die das Stück Eisen dauerhaft angezogen lässt.
In der Analogie zur Energie kann diese von den Elektronenspins ausgehende Kraft auch einfach, dauerhaft und zeitunabhängig wirken. Energie und Kraft sind somit in Wirkungsweise, Beschreibung und Formen unterschiedlich, weisen aber zueinander teils ähnliche Eigenschaften auf (z.B. sind/wirken beide konstant und zeitunabhängig in einem geschlossenen System).
Die abschließende Frage, warum der Hufeisenmagnet lieber seine potentielle magnetische Energie reduzieren, aber dafür im Gegenzug eine größere Anziehungskraft ausüben möchte, kann m. E. mit der klassischen Physik nicht wirklich erklärt werden, oder?
Hier ist es in der klassischen Physik einfach ohne Erklärung hinzunehmen, dass das Wirken einer Kraft (Anziehungskraft, Gravitationskraft, etc.) immer vorrangig zum Bestehen / Aufbau einer Energie erfolgt. Warum das so ist, kann mit der klassischen Physik nicht erklärt werden, sodass andere Formen (z.B. die ART) auf andere Weise versucht eine Kraft zu beschreiben bzw. zu definieren (z.B. Krümmung der Raumzeit).
Letzteres ist natürlich irgendwie nicht wirklich zufriedenstellend, aber als Nicht-Physiker sollte ich mich damit abfinden können, insofern die o.g. Zusammenfassung nicht vollkommen falsch ist.
Kann man das so stehen lassen?
[Die Antwort wurde vor Beitrag No.1 begonnen.]
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MontyPythagoras
Senior  Dabei seit: 13.05.2014 Mitteilungen: 3417
Wohnort: Werne
 | Beitrag No.15, eingetragen 2022-09-28
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Hallo Nudel,
ich tue mich schwer damit, das zu bejahen, weil textliche Beschreibungen immer einen großen Interpretationsspielraum zulassen. Textliche Sprache ist oft unpräzise, und ich würde nicht ausschließen, dass Du das richtige meinst.
Du betonst "einfach, dauerhaft und zeitunabhängig" zweimal, aber was soll das aussagen? Es sind keine "physikalischen" Begriffe, wenn Du weißt, was ich meine. Laut Impulserhaltungssatz ist jede lineare Bewegung erst einmal einfach, dauerhaft und zeitunabhängig. In einem eigenen Inertialsystem des fraglichen Objektes ist der Impuls ja sogar null. Man muss also von außen auf das Objekt einwirken, um den Impuls zu ändern. Gleiches gilt für andere Erhaltungssätze, und daher ist diese selbsterhaltende Eigenschaft in der Physik nichts ungewöhnliches, wofür man Quantenmechanik oder andere Geschütze bemühen müsste, sondern eigentlich ein physikalisches Grundprinzip.
Die Zuführung von Energie durch eine elektrische Spannung im Elektromagneten ist notwendig, um die Elektronen gegen den ohmschen Widerstand in den Wicklungen anzutreiben, aber die Kraft, die das angezogene Objekt auf konstanter Höhe hält, erzeugt weder den ohmschen Widerstand, noch ist sie von diesem in irgendeiner Form abhängig. Wenn es also stattdessen mit einem Drehimpuls ausgestattete Elektronen sind, die diese Kraft erzeugen und die aufgrund ihres Amtes als Elementarteilchen in einem Permanentmagneten bei der Rotation um sich selbst keine Widerstände zu überwinden haben, dann behalten sie diesen Drehimpuls halt bei und rotieren bis in alle Ewigkeit, so wie es ein Gesteinsbrocken im All auch täte. Dadurch erzeugen sie ein dauerhaftes Magnetfeld, und wo ein Feld, da ein Potential.
Wenn ein anderes magnetisches Teil sich in der Nähe befindet, sorgt die Kraft halt dafür, dass sich die Teile annähern, wenn man sie nicht aufhält. Dabei "gewinnt" man Energie: erstmal kinetische, weil das angezogene Teil beschleunigt wird, danach vielleicht Wärme, weil es beim Aufschlag auf den harten Permanentmagneten zermatscht wird. Aber das ist alles prinzipiell das Gleiche wie bei der Gravitation, wenn ein Stein von der Erde angezogen wird. Die Gravitation kann man zwar als Raumkrümmung deuten, aber löse Dich davon. Ein elektrisch positiv geladener Körper und ein negativ geladener werden sich, rein elektrisch, auch bis in alle Ewigkeit anziehen, wenn man sie getrennt hält und einen Austausch von Ladungsträgern unterbindet. Daher habe ich Verständnisschwierigkeiten mit Deinen Verständnisschwierigkeiten.
Das folgende ist zum Beispiel definitiv falsch:
\quoteon(2022-09-28 13:58 - Nudel in Beitrag No. 14)
Die abschließende Frage, warum der Hufeisenmagnet lieber seine potentielle magnetische Energie reduzieren, aber dafür im Gegenzug eine größere Anziehungskraft ausüben möchte, kann m. E. mit der klassischen Physik nicht wirklich erklärt werden, oder?
\quoteoff
Auch hier denke an die Gravitation. Je kleiner der Abstand, um so größer die Anziehungskraft. Das ist aber egal. Entscheidend ist, dass die Kraft zur Erde hin wirkt, und nicht davon weg. Also wird ein Körper angezogen, und je näher er kommt, umso stärker.
Der Hufeisenmagnet hat auch nicht "seine potentielle Energie". In einem Potential hat ein Körper eben eine potentielle Energie. Ein eine Tonne schwerer Fels hat in dem Schwerefeld der Erde eine größere potentielle Energie als ein auf gleicher Höhe befindlicher, 1kg schwerer Stein. Diese potentielle Energie ist nicht in einem "Reservoir" der Erde vorhanden, welches zur Neige gehen kann. Entstammen diese Brocken der Erde, dann ist die Gesamtenergie in dem System Erde-Fels-Stein konstant. Will ich den beiden Brocken also eine potentielle Energie verpassen, die sie jetzt noch nicht haben, weil sie auf dem Boden herumlungern, muss ich beim Anheben vorher schon diese Energie in Form von Arbeit (Kraft x Weg) reinstecken. Dadurch bleibt die Gesamtenergie konstant.
Ciao,
Thomas
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Nudel
Aktiv  Dabei seit: 14.08.2022 Mitteilungen: 50
Wohnort: Hamburg
 | Beitrag No.16, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-28
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Hallo Thomas,
ich muss hier echt ein Lob aussprechen, dass Du dir die Zeit nimmst den Knoten im Kopf zu lösen - dieser Austausch macht schon irgendwie Spaß muss ich sagen. 👍
Meine Verständnisschwierigkeiten beruhen vermutlich darauf, dass ich eine Energie und eine Kraft in irgendeinen kausalen und quantitativen Zusammenhang bringen will und diesen auch (wohl fälschlicherweise) sehe. Als E-Techniker sieht man: Eine elektrische Spannung ist die Ursache für einen elektrischen Strom, der wiederum verursacht eine Wärmeabgabe des Systems, usw.
Etwas ähnliches beobachte ich bei meinem Hufeisenmagneten oder bei meinem Stein:
1. Ist die magnetische (potentielle) Energie hoch, so ist die Anziehungskraft gering. Vermindere ich den Abstand zu einem Stück Eisen, so verringert sich die magnetische Energie und die Anziehungskraft wächst. Das gleiche bei meinem Stein - ist die potentielle Energie hoch (große Abstand), so ist die Gravitationskraft gering. Nähert sich der Stein der Erde, so wird die Gravitationskraft immer größer und die potentielle Energie immer kleiner.
2. Darüber hinaus beobachte ich noch, dass wenn man den Stein in der Höhe oder den Hufeisenmagneten (mit Eisenstück in der Nähe) sich selbst überlassen würde, sich beide Systeme immer so verhalten und ausrichten würden, dass Energie minimiert und Kraft verstärkt wird.
Und genau diese beiden für mich offensichtlichen Beobachtungen führen mich in die Versuchung (und damit in die Sackgasse) einen Zusammenhang zwischen Energie und Kraft herzuleiten bzw. mir anschaulich ein Ursache-Wirkungsprinzip vorzustellen.
Ich bin quasi ein außenstehender Beobachter eines abgeschlossenen Systems (z.B. die Erde) und sehe eine große Summe von einzelnen Kräften und eine große Summe von einzelnen Energien, die jeweils durch den Prozess der Arbeit (Kraft x Weg) immer in gegenseitiger Wechselbeziehung zueinander stehen. Beide Größen können umgewandelt werden bzw. wachsen oder werden geringer, wobei die gesamte Kraft und die gesamte Energie in diesem abgeschlossene System für mich konstant wären.
...
Und genau hier besteht der Knoten im Kopf, da ja alles was ich nun oben beschrieben habe und meine beobachten zu können, eigentlich gar nicht existiert und auf falschen Annahmen beruht.
Es gibt weder eine Wechselbeziehung zwischen Energie und Kraft, noch ein "Abwägen des Systems", ob lieber eine Kraft wirken oder eine Energie bestehen soll.
Stattdessen gibt es einfach nur die Energie eines Objektes/Systems auf die eine Kraft wirkt, wenn sie denn in dessen Nähe besteht. Diese Kraft ist entweder existent oder sie ist nicht existent und sobald sie existent ist, muss Arbeit verrichtet werden, bis das Objekt/System in einen neuen Zustand übergeht, wo keine Arbeit mehr verrichtet werden kann. In diesem neuen Zustand ist die Kraft maximal und die Energie minimal.
Ist das nachvollziehbarer, woher meine Verständnisschwierigkeiten kommen? ;)
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MontyPythagoras
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 | Beitrag No.17, eingetragen 2022-09-28
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Hallo Nudel,
\quoteon(2022-09-28 19:06 - Nudel in Beitrag No. 16)
1. Ist die magnetische (potentielle) Energie hoch, so ist die Anziehungskraft gering. Vermindere ich den Abstand zu einem Stück Eisen, so verringert sich die magnetische Energie und die Anziehungskraft wächst. Das gleiche bei meinem Stein - ist die potentielle Energie hoch (große Abstand), so ist die Gravitationskraft gering. Nähert sich der Stein der Erde, so wird die Gravitationskraft immer größer und die potentielle Energie immer kleiner.
\quoteoff
Bei einem Feld wie einem Gravitationsfeld oder einem elektrischen Feld einer Punktladung ist das so, ja. Aber ich gebe Dir ein Gegenbeispiel:
Auf das Schwerefeld der Erde trifft obige Aussage nur zu, wenn sich der betrachtete Körper außerhalb der Erde, also oberhalb der Erdoberfläche befindet. Aber stell Dir vor, Du hättest einen Schacht zum Erdmittelpunkt. Wenn Du in diesen Schacht hinabsteigst, würdest Du feststellen, dass die Anziehungskraft der Erde immer weiter abnimmt, bis sie schließlich genau im Erdmittelpunkt null beträgt. Obwohl die potentielle Energie weiter oben, knapp unter der Erdoberfläche, höher ist als näher am Erdmittelpunkt und der Körper daher nach wie vor anstrebt, sich zum Erdmittelpunkt zu bewegen so wie über der Erdoberfläche auch, nimmt die Anziehungskraft dennoch ab. Nach Deiner Beobachtung, wenn man diese verallgemeinern wollte, müsste sie aber weiter steigen.
Anderes, trivialeres Beispiel: eine mechanische Zugfeder. Je weiter Du sie dehnst, umso größer die potentielle Energie, aber umso größer auch die Zugkraft.
Du hast halt besondere Felder betrachtet, die eine gewisse Eigenschaft haben, die man aber nicht verallgemeinern darf. Allgemein gilt eben
$$W=\int\vec F\mathrm d\vec s$$Kein Weg, keine Arbeit. Die Größen Arbeit/Energie und Kraft hängen also schon zusammen, das will ich nicht bestreiten, aber anders, als Du aus Deinen Beobachtungen folgerst.
Ciao,
Thomas
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Nudel
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 | Beitrag No.18, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-28
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Überzeugt. 👍
Die genannten Gegenbeispiele von Dir widerlegen tatsächlich auf recht anschauliche Weise, dass kein allgemeingültiger Zusammenhang zwischen der Energie und Kraft eines Objektes/Systems bestehen kann.
Ich habe mir zufällig nur zwei Szenarien (magnetische Energie / Kraft und pot. Energie / Gravitationskraft) angeschaut, bei denen ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang zwischen Energie und Kraft besteht und versucht diesen in einen allgemeingültigen Zusammenhang zu gießen. Das mit der Zugfeder ist tatsächlich sehr einleuchtend - bei maximaler Auslenkung habe ich die höchste potentielle Energie und gleichzeitig die maximale Kraft.
Damit sind meine Beobachtungen (Punkt 1 und Punkt 2 aus Beitrag No. 16) zwar nicht falsch, aber nur für meinen Hufeisenmagneten und den Stein (hier noch mit der Einschränkung oberhalb der Erdoberfläche) korrekt.
Insofern wäre der letzte Absatz aus Beitrag No. 16 auch nicht ganz verkehrt und müsste nur leicht korrigiert werden:
"Stattdessen gibt es einfach nur die Energie eines Objektes/Systems auf die das eine Kraft wirkt, wenn sie denn in dessen Nähe besteht. Diese Kraft ist entweder existent oder sie ist nicht existent und sobald sie existent ist, muss Arbeit verrichtet werden, bis das Objekt/System in einen neuen Zustand übergeht, wo keine Arbeit mehr verrichtet werden kann. In diesem neuen Zustand ist die Kraft maximal und die Energie minimal."
Zusammenfassend:
Daraus folgt für mich aber auch, dass es eigentlich nur eine Prämisse gibt nach welchem ein System handelt - es will seine Energie minimeren, insofern dies möglich ist. Die Voraussetzung dafür ist aber, dass sowohl eine Energie als auch eine Kraft vorhanden ist, um den die jeweilige Energie oder das jeweilige Potential durch eine zu leistende Arbeit verringert werden kann.
Ob durch diesen Vorgang eine vom Objekt ausgehende Kraft verstärkt (Beispiel: Hufeisenmagnet) oder verringert (Beispiel: Zugfeder) wird, hat absolut keinen Einfluss darauf. Kräfte wirken einfach und haben keine Energie verstärkende oder schwächende Wirkung. Sie benötigen auch keine Energiezufuhr, sondern sind im Raum einfach durch die physikalischen Gegebenheiten (Graviationskraft von zwei Massen, Anziehungskraft von magnet. Nord- und Südpolen) vorhanden. Die Kraft im Raum wird in dem Sinne vom System nur dann "genutzt", wenn es seine Energie irgendwie abgeben und dadurch verringern kann.
Für mich ist die Kraft jetzt aus Sicht des Objektes/Systems nur eine Art Mittel zum Zweck und notwendige Voraussetzung, um seinen Energiezustand zu ändern.
Ist das soweit in Ordnung?
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MontyPythagoras
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 | Beitrag No.19, eingetragen 2022-09-29
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Nnnjjnnjain. Nah genug dran. 🙃
Eigentlich soweit korrekt, ich störe mich an zwei Kleinigkeiten:
Es klingt bei Dir manchmal so, als sei es eine willentliche Entscheidung des Systems, seine Energie zu verringern. Das kann es ja nicht, die Gesamtenergie bleibt gleich. Es KANN, wenn es daran nicht gehindert wird, potentielle Energie zunächst in kinetische Energie umsetzen, und was dann daraus wird, sieht man erst später. Ich denke aber, das ist soweit OK.
Das andere ist der Satz, dass "das jeweilige Potential durch eine zu leistende Arbeit verringert werden kann". Die potentielle Energie kannst Du verringern, das Potential im Normalfall nicht. Allerdings ist der Gebrauch des Wortes Potential auch in der Fachliteratur nicht immer einheitlich.
Ein Stein in 1m Höhe befindet sich in einem Potential, welches ihm eine potentielle Energie verleiht. Deshalb fällt er. Das Potential als skalares Feld ist dann immer noch da, unverändert (wenn man die Masse des Steins, der ja in einer winzigen Größenordnung selbst auch zum gesamten Schwerefeld des Planeten Erde beiträgt, vernachlässigt). Wenn Du den Stein wieder hochheben willst, "kämpfst" Du sozusagen gegen die erste Ableitung des Potentials, nämlich die Schwerebeschleunigung, an und verrichtest Arbeit, die von der Eigenschaft (hier Masse) des Objektes (hier Stein) abhängig ist, so dass der Stein wieder eine potentielle Energie bekommt. Lies Dich vielleicht noch einmal ein wenig ein über den Unterschied zwischen Potentieller Energie und Potential.
Noch ein Beispiel: Ein positiv geladener, kleiner Körper erzeugt ein elektrisches, skalares Feld - also ein Potential. Wenn Du einen weiteren kleinen Körper mit gleich großer, aber negativer Ladung hinzubringst, überlagern sich ihre Felder. Solange sie getrennt sind, ist das Gesamtpotential praktisch nirgends null. An manchen Stellen ist es positiv, an manchen negativ. Folgen dann die beiden Körper der gegenseitigen Anziehung (das klingt jetzt sehr stilblütenmäßig) und Elektronen fließen von einem zum anderen, dann sind die Körper anschließend elektrisch neutral und das elektrische Potential ist null.
Aber im Großen und Ganzen bin ich so einverstanden.
Ciao,
Thomas
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Nudel
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 | Beitrag No.20, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-29
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Hallo Thomas,
danke nochmal für Deine Rückmeldung und Anregungen zu den Begrifflichkeiten. Darauf würde ich noch einmal kurz eingehen wollen.
\quoteon(2022-09-29 11:33 - MontyPythagoras in Beitrag No. 19)
Es klingt bei Dir manchmal so, als sei es eine willentliche Entscheidung des Systems, seine Energie zu verringern. Das kann es ja nicht, die Gesamtenergie bleibt gleich. Es KANN, wenn es daran nicht gehindert wird, potentielle Energie zunächst in kinetische Energie umsetzen, und was dann daraus wird, sieht man erst später. Ich denke aber, das ist soweit OK.\quoteoff
Der Begriff "willentlich" passt meines Erachtens auch nicht so gut (Objekte / Systeme können ja eher schlecht einen Willen haben), aber ich verstehe das schon so, dass in einem abgeschlossenen System jedes einzelne "Unterobjekt" oder "Untersystem" anstrebt seine jeweilige Energie zu verringern (ich würde es als Gesetzmäßigkeit bezeichnen, nicht als freien Willen). Die Gesamtenergie in dem abgeschlossenen System bleibt natürlich erhalten, sodass bei einer Energiereduzierung irgendwo Energie aufgebaut werden muss (fehlte vllt. in meiner o.g. Gedankennotiz). Zumindest habe ich das Prinzip der Energieminimierung so verstanden und z.B. auch auf meinen Hufeisenmagnet (Minimierung der magn. Energie) und auf den Stein (Minimierung der pot. Energie) projiziert. Im Wesentlichen habe ich die Zusammenhänge dafür aus dem Artikel Minimumsprinzip der freien Energie entnommen.
Liegt hier noch ein Missverständnis meinerseits vor?
\quoteon
Das andere ist der Satz, dass "das jeweilige Potential durch eine zu leistende Arbeit verringert werden kann". Die potentielle Energie kannst Du verringern, das Potential im Normalfall nicht. Allerdings ist der Gebrauch des Wortes Potential auch in der Fachliteratur nicht immer einheitlich.
\quoteoff
Ich glaube meine begriffliche Unschärfe rührt daher, dass in dem o.g. Wikilink zur Minimierung der freien Energie steht, dass die freie Energie ein thermodynamisches Potential ist und ich daher Energie und Potential synonym verwendet habe. Das scheint in diesem Fall aber nicht so zu sein?
Deine genannten Beispiele zum Potential kann ich gut nachvollziehen. Müsste aber das Potential in Bezug auf das Gravitationsfeld bzw. elektrischen Feld - statt einem Skalar - nicht ein Vektorfeld sein, da es ja zu dem Potential eine Richtung (zur Erde bzw. zu den pos. oder neg. Ladungen) gibt?
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MontyPythagoras
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 | Beitrag No.21, eingetragen 2022-09-29
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Ah, okay. Du bist vom Standpunkt der Thermodynamik herangegangen. Ich denke, dann passt das.
Das Potential ist ein Skalarfeld, was aber durch Ableitung (1-dimensional) bzw. Gradientenbildung (3-dimensional, also Ableitung in die Raumrichtungen) ein Vektorfeld ergibt, welches dann beschreibt, in welche Richtung die Kraft wirkt, siehe hier.
Ciao,
Thomas
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Nudel
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 | Beitrag No.22, vom Themenstarter, eingetragen 2022-09-29
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\quoteon(2022-09-29 12:55 - MontyPythagoras in Beitrag No. 21)
Ah, okay. Du bist vom Standpunkt der Thermodynamik herangegangen. Ich denke, dann passt das.\quoteoff
"Herangegangen" ist hier vielleicht nicht ganz richtig. Eher war es die Ursachenforschung warum der Hufeisenmagnet ein Bestreben zur Energieminimierung hat, was mich dann zum Minimierungsprinzip der freien Energie unter thermodynamischen Gesichtspunkten geführt hat. Ich finde aber, dass sich dieses Prinzip auch recht anschaulich auf andere "Objekte" im energetischen Sinne übertragen lässt.
\quoteon(2022-09-29 12:55 - MontyPythagoras in Beitrag No. 21)
Das Potential ist ein Skalarfeld, was aber durch Ableitung (1-dimensional) bzw. Gradientenbildung (3-dimensional, also Ableitung in die Raumrichtungen) ein Vektorfeld ergibt, welches dann beschreibt, in welche Richtung die Kraft wirkt, siehe hier.\quoteoff
Korrekt, das Potential ist in dem Sinne durch das Skalarfeld beschrieben, das resultierende Kraftfeld dann als dessen Ableitung und damit als Vektorfeld mit einer gerichteten Größe im Raum.
Thomas, ich bedanke mich nochmal für die Diskussion und Deine Geduld beim Lösen des gedanklichen Knotens. Ich denke, dass ich mit den Antworten und den Ausführungen hier gut leben kann. Darüber hinaus habe ich auch noch ein paar neue Dinge erfahren, vielen Dank!
Besten Gruß
Nudel
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MontyPythagoras
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 | Beitrag No.23, eingetragen 2022-09-29
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Gern geschehen.
Ciao,
Thomas
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Nudel hat die Antworten auf ihre/seine Frage gesehen. Nudel hat selbst das Ok-Häkchen gesetzt. |
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